Sonderheft 21, März 2014

In der ersten Ausgabe der kolik.film, die im Frühling 2004 erschienen ist, hielten wir programmatisch fest, dass wir die Position dieser Zeitschrift „zwischen tagesaktueller Berichterstattung und längerfristigen Buchprojekten“ sehen – „als notwendige Ergänzung einer bestehenden Publikationslandschaft und als Bereicherung heimischer Filmkultur“.

Einundzwanzig Hefte und elf Jahre später hat sich das Umfeld, auf das wir uns damals bezogen haben, deutlich verändert. Oder vielmehr: Eine konzentrierte Arbeit innerhalb dieser Strukturen ist inzwischen alles andere als selbstverständlich. Nicht nur in der tagesaktuellen Filmpublizistik, sondern in der Kultur- und Kunstberichterstattung insgesamt lassen sich mittlerweile zwei Tendenzen beobachten: Einerseits ist die Berichterstattung zunehmend geprägt von einer lokalen Perspektive, die internationale Ereignisse, ob Filmfestivals, Kunstbiennalen oder Theaterpremieren, egal welcher Größenordnung, nur noch sporadisch aufgreift; anderer - seits ist es abseits der Erfordernisse des „Tagesgeschäfts“ und damit verbundenen kommer - ziellen Erwägungen offensichtlich schwieriger geworden, weniger repräsentativen, unabhängigen kulturellen Praktiken Raum zu geben; oder, umgekehrt, sich als Kulturjournalist die Zeit zu nehmen, Themen zu recherchieren, die Kontexte und Tendenzen der Gegenwart erschließen. „More of the same“ ließe sich angesichts dieser Entwicklung polemisch argumentieren, die jener des öffentlichen Fernsehens ähnelt, als private TV-Stationen in den 80er-Jahren im europäischen Raum die Medienlandschaft nachhaltig veränderten. Eine fundierte Aus ein - andersetzung mit Film und/oder Kino in seinen diversen Ausdrucksformen findet im Medium Fernsehen (mit Ausnahme der freien Kanäle) nicht mehr statt. Heute sind es die Möglichkeiten der Online-Bericht erstattung, die versprechen, neue Standards zu setzen – dabei handelt es sich jedoch bekanntlich um ein Feld, in dem bis dato die ökonomischen Rahmenbedingungen als äußerst instabil gelten, während die redaktionelle Ausrichtung oft noch stärker als im Printbereich den Erfor dernissen der Aktualität genügen muss. Dominiert von einer Aufmerk - sam keitsökonomie, die sich unter anderem in Postings und Zugriffen bemisst, ist der Journalist Teil einer Umkehrökonomie, die sich via Werbekunden manifestiert. Intellekt oder Inhalt rangiert hier als Bemessungsgrundlage für Qualität unter ferner liefen.

Dass jene intensive Auseinandersetzung mit dem Medium Film und seinen unterschiedlichen Spielformen, die wir seit mehr als zehn Jahren betreiben, nur als sogenannte Liebhaberei möglich sein würde, war von Beginn an klar. Nicht aber, dass sich das publizistische Umfeld so umfassend wandeln würde, dass mittlerweile selbst etablierte Verlagshäuser eine möglichst umfangreiche Kultur- und Filmberichterstattung grundsätzlich in Frage stellen. Das hat keines - wegs nur Auswirkungen auf die Schreibenden – sowohl auf freie Mitarbeiter als auch Redakteure –, sondern auch auf die Leserschaft von Tages- und Wochenzeitungen. Auf ausgiebig recherchierte und damit entsprechend zeitaufwändige Textformen müssen Zeitungsleserinnen und -leser immer öfter verzichten. Bedient wird vorrangig ein Bedürfnis nach schnellen – und kostenlosen – Urteilen. Auf der Strecke bleiben Analyse und Diversität.

Während es für Filmschaffende eine Selbstverständlichkeit ist, regelmäßig auf strukturelle Unzulänglichkeiten und ökonomische Engpässe aufmerksam zu machen, können Kultur- /Filmpublizistinnen und -publizisten das Ausbleiben von Aufträgen und die kontinuierliche Austrocknung der Publikationslandschaft oft nur hinnehmen. Es fehlt bis jetzt an Initiativen, auf die Notwendigkeit einer möglichst vielfältigen Form von Öffentlichkeit hinzuweisen – als unentbehrliche Brücke zwischen Filmschaffenden und ihren Werken sowie dem Publikum. Vor diesem Hintergrund laden wir gemeinsam mit dem Linzer Festival Crossing Europe ebendort zu einer Diskussion über diese Entwicklung mit dem Titel: Film Critics – an Endangered Species? Für die Herbstausgabe ist ein Schwerpunkt zum Thema geplant.

Unser nächstes Heft erscheint im Oktober 2014.

Die Redaktion - Wien, April 2014


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