„Ist 2010 das Jahr, in dem das Zelluloid starb?“ Zumindest erlebt das Kino gerade die massivste technische Umrüstung seit seiner Erfindung, und wir widmen uns nach Heft 7 ein weiteres Mal der Digitalisierung. Zunächst kommt Peter Zeitlinger zu Wort, der als langjähriger Kameramann von Werner Herzog nicht nur geografisch kontinuierlich neues Terrain betritt. Die Eingangsfrage haben wir bei Barbara Flückiger entlehnt, die damit ihren Text überschreibt, welcher den Einsatz digitaler Kameras durch Anthony Dod Mantle und Lars von Trier untersucht. Michael Loebenstein stellt ein Projekt der Experimentalfilmemacher Rebecca Baron und Douglas Goodwin vor, das die Materialität digitaler Laufbilder erforscht.
Im Unterschied zur Produktionsseite ist die Digitalisierung im Abspielbereich nicht nur ökonomisch weitaus umstrittener. Herausforderungen, Einschränkungen undVeränderungen, welche derTechnologiesprung für Kinobetreiber und Kinogänger mit sich bringt, fasst Hanns-Georg Rodeks Beitrag zusammen; drei Kinomacher (Kinokette, Arthouse-Major, Landkino) steuern Statements aus der Praxis bei.
An digitale Tiere im Kino hat man sich gewöhnt, schließlich waren sie als Computeranimation einmal mehr den Menschen voraus.Wir beschäftigen uns jedoch mit traditionelleren Formen ihrer Darstellung: Weil das Tier immer unter uns ist, ist es auch fast immer in irgendeiner Form auf der Leinwand – und in unseren Augen buchstäblich Projektion. Joachim Schätz widmet sich in seinem Essay dem Thema der Metamorphose in unterschiedlichen Formen und Stadien, bevor Sabine Nessel die Projektion auf das Verhältnis von Kino und Zoo überträgt und in Nicolas Philiberts Nénette die „Betrachtung und Reflexion“ dieses Dispositivs ausmacht. Benjamin Moldenhauer wiederum übernimmt das Bild des Affen, um diesen auf einem filmhistorischen Streifzug zu begleiten. Umrahmt werden diese Ausführungen von zwei wunderbaren Miniaturen von Peter Nau: Während in Georges Franjus Le sang de bêtes die Schlächter als „Champions in ihrem Fach“ das Blut strömen lassen, rächen sich die Tiere in John Bud Cardos’ Kingdom of the Spiders.Um die Dominanz der Säuger auch auf der Leinwand zu durchbrechen, schließt das Dossier mit einer „Bedrohten Vielfalt“.
In unserem Österreich-Teil widmen wir uns unter anderem Nikolaus Geyrhalters brandneuem Essayfilm Abendland sowie der Kamerafrau, Regisseurin und Fotografin Elfie Mikesch und dem Werk des jungen Filmkünstlers Johann Lurf.
Im Vermischten hat sich ein kleiner Westernschwerpunkt herausgebildet: Sven von Reden besuchte beim Filmfestival von Rotterdam die Retrospektive „Red Western“, die in Auszügen auch in Linz bei „Crossing Europe“ läuft, während wir im Anschluss der Frage nachgehen, warum im Western so oft und so viel Kaffee getrunken wird. Heide Schlüpmanns „Ouvertüren des Lichts“ schließlich erinnern uns daran, dass die analoge Kinoerfahrung noch längst nicht ausgeschöpft ist.
Unser nächstes Heft erscheint im Oktober 2011.
Die Redaktion - Wien, März 2011